Die Entstehung der multimedialen Aufführungskunst: Epistemologische, medientheoretische und strukturelle Voraussetzung zur Herausbildung einer prozeßorientierten Kunstform

Kurzbeschreibung

Im Zuge der in den Geisteswissenschaften immer prominenter werdenden Diskussion um die Performanz hat sich in den letzten Jahren sowohl in den Literatur- als auch in den Kunstwissenschaften das Augenmerk zunehmend auf prozeßorientierte Kunstformen gerichtet. Interaktive Medienkunst und multimediale Aufführungsprojekte (nicht nur im Rahmen des Theaters), aber auch Alltagsphänomene wie Massenveranstaltungen aller Art bilden Untersuchungsobjekte, auf die der Begriff der Performanz angewendet wird. Das Projekt widmet sich der Aufführung aus historischer Sicht und untersucht die Frage, unter welchen Bedingungen sich die multimediale Aufführung als eigenständige Kunstform, wie sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem im Bereich der Theaterreformen, aber auch in verschiedenen Experimenten der Avantgarde manifestiert, herausbilden konnte.
Dabei geht es um die Frage, welche Begründungsstrategien im ästhetischen Diskurs seit dem 18./19. Jahrhundert für die Existenz der Aufführung angeführt wurden, die in ihrer Struktur dem 'klassischen' Kunstwerkbegriff entgegengesetzt ist, weil sie das Ergebnis kooperativer Arbeit und nicht eines Einzelkünstlers ist, weil sie aus dem (jeweils unterschiedlich gestalteten) Zusammenspiel mehrerer Medien besteht und daher auch beim Rezipienten mehrere Sinne anspricht. Zudem ist sie auf die gleichzeitige Präsenz von Akteuren und Zuschauern angewiesen und birgt damit interaktionsintensives Potential in sich, das die Einzelkünste zumeist nicht aufweisen. Insofern steht die Aufführung dem Kunstwerkbegriff, der um 1800 zum wesentlichen Begründungspfeiler der autonomen Kunst wird, entgegen und muß mit anderen Argumentationsstrategien als eigenständiges ästhetisches Phänomen gerechtfertigt werden.
Die Untersuchung erfolgt zwar chronologisch, konzentriert sich aber auf Fallbeispiele: auf die ästhetische Diskussion vor allem der Dichter in Klassik und Frühromantik, auf Richard Wagners Konzept des "Kunstwerks der Zukunft" und die Realisierung seiner ästhetischen Pläne in Bayreuth sowie auf die Theaterreformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts. Sie bilden paradigmatische Stationen, anhand derer die sukzessive Verschiebung der Kriterien zur Beurteilung der Aufführung herausgearbeitet werden kann.